BERLINER MORGENPOST, Montag, 29.01.2007
THEATER AKTUELLER DENN JE: ENDZEITDRAMA ANNO 1969
Ulrike Borowczyk
Ein schäbiges Bahnhofscafe irgendwo im – Nirgendwo. Die Uhr ohne Zeiger , die Fenster blind. Sie verweigern die Aussicht und, wenn man sie öffnet, weht statt frischer Luft Müll herein. Etwas abseits sitzt eine alte Frau und schwärmt von jener Zeit, als der Blick noch auf Lärchen und Wasserfälle fiel. Sie prangert aber auch den Irrsinn an, mit dem die Umwelt vernichtet wurde, und wettert gegen den Krieg. Dagegen setzt sie das weibliche Prinzip des Gebärens. Nur: Sie ist seit 50 Jahren unfruchtbar. Jetzt aber, am Ende aller Dinge, will sie unbedingt Leben spenden.
Tadeusz Różewicz schrieb die ungeheuer verdichtete surreale Farce „Eine alte Frau brütet“ 1969. Für die Inszenierung von Janina Szarek im Teatr Studio hat der preisgekrönte polnische Dramatiker sein Stück überarbeitet, gleichwohl es an hochaktueller Zivilisationskritik nichts verloren hat. Eine weitere Besonderheit der Aufführung: die Regisseurin kehrt in der Rolle der alten Frau nach 10 Jahren auf die Bühne zurück. Eine Herausforderung verkörpert sie doch nicht nur zwischen künstlichen Figuren wie überkandidelten Girlies und staffagenhaften Kellnern pure, fast animalische Lebendigkeit. Sie verbindet auch die Vergangenheit mit der Gegenwart..
Es gelingt ihr überzeugend das Aberwitzige und zutiefst Menschliche herauszukristallisieren. Es ist nicht immer ganz einfach, der bunten Collage aus Erinnerungen, Monologen und Episoden zu folgen. Dennoch: die beunruhigende Botschaft, dass wir als vermeintlich vernunftbegabte Wesen dabei sind, unsere Lebenswelt zu zerstören, kommt überaus deutlich an.