ZITTY, BERLIN, 29.04 – 12.05.2004
„SEXUALTRAUMA“
Die weiße Ehe
Teatr Studio am Salzufer
David Hannak
Paulina zieht kokett die Bluse aus und zeigt die schönsten Brüste, die die Theaterwelt seit langem gesehen hat. Wir Männer sind doch Schweine: Thema von „Die weiße Ehe“, aufgeführt zur Eröffnung der deutsch-polnischen Studiobühne der Transform –Schauspielschule. Im kleinbürgerlichen Familienkosmos erleben die zwei jungen Mädchen Bianca und Paulina ihr sexuelles Erwachen, gackern wild im Bett bei der Lektüre eines Anatomiebuches. Aus Lust wird Ekel. Bianca kann ihr Frau-Sein nicht annehmen, fühlt sich nach der ersten Menstruation wie eine Aussätzige. Vater wie Opa haben nur das Eine im Kopf, während die Frauen unglückliche Hausmütterchen sind, Gebärmaschinen, Gebrauchsgefäße.
Ob diesem restriktiven Eros-, Ehe- und Familienalptraum in 13 Bildern von Tadeusz Różewicz noch Aktualität innewohnt, ist zumindest diskussionswürdig. Doch die Regisseurin und Lehrerin Janina Szarek versteht es, mit ihrer stimmig getimten Inszenierung den Schauspielschülern dankbare Auftritte und große tragikomische Spielmöglichkeiten zu geben. Auch die kleinen Rollen bieten Möglichkeiten, das Familientableau mit verstörenden Wechseln in der Realitätsebene genüßlich auszuagieren. Abseits vom Party-Hype-trend, etwas unzeitgemäß, zum Glück. Eine große Ensembleleistung, mit dichten Bildern zwischen (Alp) Traum und Realität.