Witkacys „Narr und Nonne“ von 1923
Übersetzung · Heinrich Kunstmann
Premiere · 19. März 2005
Regie · Janina Szarek
Es spielen die Studenten der TRANSform Schauspielschule · Patrick Herion (Walpurg), Karolina Lodyga (Schwester Anna), Karsten Zinser (Dr. Grün), Natalia Herrera-Köhler (Schwester Barbara), Axel Hartwig (Krankenpfleger), Mehmet Bozdogan (Krankenpfleger), Torsten Schack (Dr. Burdigel)
Das Stück handelt über die grausame Pathologie repressiver gesellschaftlicher Zwänge und zeigt das Bild der Gesellschaft der wissenschaftlichen Ära. Die Irrenanstalt ist Weltbild bzw. ein realer Ort für die Entstehung und den Gärungsprozess von Weltbildern. In der Literatur wurde dieser Ort von Peter Weiss und Dürrenmatt aufgenommen. So auch viel früher von Witkiewicz (1885 – 1939). Instinktiv ahnte er, dass die Individuen, die in der sich abzeichnenden Massengesellschaft als Individualisten überleben wollen, als Verrückte zu Gegenständen der psychiatrischen Untersuchung werden. Die wahren Künstler werden in speziellen Anstalten für Unheilbare sitzen. Der Künstler als Individualist scheint ein Anachronismus. Er muss den Augen der Menschen entzogen werden. Es gibt nur zwei Plätze für dieses metaphysische Geschöpf: das Gefängnis und die Irrenanstalt.
Walpurg, die Hauptfigur im Stück von Stanislaw Ignacy Witkiewicz, der sich Witkacy nannte, wird gegen seinen eigenen Willen geheilt. Er soll normal und damit ungefährlich werden. In Narr und Nonne will der Staat die Ruhe und das Glück jedermanns erzwingen. Die neue Psychologie und neue Politik haben gemeinsam das Ziel, die Abweichenden an das Leben anzupassen. Es kommt zum Sieg der „grauen“ Masse über das Individuum mit Hilfe der Zwangsjacke. Walpurg befreit sich aus ihr und dann aus jeglichem Zwang, den man dem Menschen entgegenbringt. Er befreit sich auch aus Lebensgrenzen. Am Ende des Dramas schlagen sich die Aufseher miteinander, chaotisch, auf dem Boden liegend. Die Türen öffnen und schließen sich und der Verstand funktioniert anders, als es sich die Aufseher vorstellen.
Alles in dem Stück „Narr und Nonne“ ist unheimlich: die Tür, die Lampe, der Flur und die Leichenschau. Das Stück ist auch makaber. Es ist im Stil von Grand Guignol geschrieben. Es kommt zu Walpurgs Tod und zu seiner Wiederkehr aus der anderen Welt. Es ist die Verwandlung gewöhnlicher Unheimlichkeit in metaphysisches Erstaunen und groteske Katharsis.